Programmatic Advertising hat in den letzten 10 Jahren die Art und Weise, wie Werbetreibende ihre digitalen – und bald auch klassischen – Kommunikationsziele verfolgen, grundlegend verändert. Diese Revolution nahm ihren Anfang mit den ersten Suchmaschinen-Anzeigen; heute buchen wir bis hin zu Audio-Spots und Out-of-Home praktisch alle digitalen Werbeplätze automatisiert und in Echtzeit.

Dieser Umbruch bringt grosse Chancen und Herausforderungen mit sich: Wir müssen neues Know-How erschliessen und Komplexität meistern. Das ist quasi der Preis, den wir für höhere Effizienz, Performance und neue kreative Spielräume programmatischer Kampagnen bezahlen.

Nach den berechtigten öffentlichen Debatten um Brand Safety und Ad Fraud, öffnet sich nun ein ebenso relevantes Themenfeld: Transparenz und Kontrolle. Dabei geht es um die Frage, ob Werbetreibende die Wertschöpfungskette ihrer eigenen Media-Kampagnen nachvollziehen können und ob sie die nötige Kontrolle über deren Prozesse und Daten besitzen.

Im angelsächsischen Raum und in Deutschland stossen immer mehr ambitionierte Unternehmen einen Transformationsprozess an, der darauf abzielt, maximale Transparenz in ihrem eigenen digitalen Media-Ökosystem herzustellen und die Hoheit über die darin generierten Performance- und User-Daten zu erlangen. Dabei entscheiden sie sich beispielsweise für die Beschaffung einer eigenen programmatischen Infrastruktur, hinterfragen Media-Rabatte und -Margen, bauen internes Wissen auf und holen sich spezialisierte Partner an Bord.

Das Mass an Transparenz und Kontrolle seitens des Werbetreibenden kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Vereinfacht kann man drei Modelle unterscheiden: “fully managed”, “hybrid”, und “inhousing”. Im Szenario “fully managed” setzen Unternehmen hauptsächlich auf externe Partner, sowohl für die Strategie, Umsetzung und Auswertung, als auch auf deren Infrastruktur. Im hybriden Modell gehören dem Werbetreibenden die technische Infrastruktur und damit alle Kampagnen-Daten und Zugriffsrechte, die operative und eventuell strategische Arbeit liegt aber weiterhin auch bei Partnern. Und beim Inhousing-Typus bildet das Unternehmen sowohl alle Arbeitsschritte intern ab, als auch die technische Infrastruktur.

Klar ist, dass alle drei Modelle Vor- und Nachteile haben, und der gewählte Weg von den Merkmalen und Anforderungen des Unternehmens abhängen muss. Unsere Erfahrungen zeigen: konsequentes Inhousing ist für die wenigsten Firmen zielführend: die Komplexität der Technologie und Dynamik der Branche erfordern hohe Investitionen in interne Ressourcen. Der programmatische Dienstleister Infectious Media schätzt, dass die Anzahl von Inhousing-Fällen von aktuell rund 1% bei ca. 10% einpendeln wird – in erster Linie agile und im Kern digitale Firmen wie beispielsweise Digitec Galaxus, Zalando oder Netflix. Ein grosses Wachstum erwarten wir bei Unternehmen, die auf Hybride Ansätze setzen werden. In fünf Jahren könnten bis zu 50% aller Advertiser ein Mischmodell verfolgen: die Marketing-Technologie gehört dem Unternehmen selber, für die Beratung und Umsetzung setzen sie auf die Dienste spezialisierter Agenturen. Dies hat den Vorteil, dass sie komplette Hoheit über ihre Daten haben und damit volle Einsicht in jeden ausgegebenen Media-Franken. Gleichzeitig können sie auf das Spezialistenwissen und die operative Erfahrung der Agenturen zugreifen.

Ein prominentes Beispiel einer Firma, die einen erfolgreichen hybriden Ansatz verfolgt, ist die Deutsche Telekom – Europas wertvollstes Telekommunikations-Unternehmen. In einem vierjährigen Transformationsprozess, getragen von einem CEO-Mandat und geleitet durch einen dedizierten Media- und MarTech-Spezialisten, schuf das 70-Milliarden-Unternehmen ein sorgfältig ausgewähltes Ökosystem von Technologien und Partnern. Im Zentrum dieser Bemühung standen vier Werte: 1. Transparenz im Media-Ökosystem, 2. Hoheit über die Daten und Technologien, 3. Aufbau von internem Media-Wissen und 4. die Kollaboration basierend auf Resultaten und Wertschöpfung.

Das Beispiel veranschaulicht die Themenfelder, die früher oder später in die strategischen Überlegungen jedes Werbetreibenden einfliessen müssen. Das Ziel dieser Evaluation wird in den meisten Fällen nicht das komplette Inhousing sein. Vielmehr muss eine Organisation die Bedürfnisse aller Stakeholder (Marketing, Verkauf, IT, CRM, usw.) verstehen und Anforderungen an Technologie, Wissen und Partner formulieren können. Von entscheidender Bedeutung aber ist, dass ein Transformations-Prozess auf höchster Führungsebene verankert ist und von zukunftsträchtigen Werten getragen wird: Transparenz im Media-Einkauf, Leistungsfähigkeit der Technologie, Wissensaufbau und Kollaboration.

Autor: Joël Meier, Webrepublic

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