VR ist die Darstellung und gleichzeitige Wahrnehmung der Wirklichkeit und ihrer physikalischen Eigenschaften in einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven virtuellen Umgebung (Wikipedia, Virtuelle Realität). Immersion heisst das Zauberwort. Der Zuschauer taucht in eine virtuelle Realität, er wird förmlich in diese Welt gezogen. Es gibt keinerlei räumliche Grenzen. Und das eröffnet auch neue Räume für die Werbung.

Virtuelle Realität in der Schweiz

Es bewegt sich einiges. House of Switzerland von Präsenz Schweiz widmet auf ihrer Website ein umfassendes Kapitel der «Virtuellen Realität made in Switzerland» und bringt zahlreiche Beispiele für Schweizer VR.

Die NZZ organisierte 2015 zusammen mit Google die «Virtual Reality Hackdays». 34 Teilnehmer bildeten 9 Teams. In 48 Stunden entstanden Virtual Reality Apps, die das Motto «Storytelling mit Google Cardboards» thematisierten. Die NZZ bezeichnete die Ergebnisse als unglaublich einfallsreich und innovativ.

Zur Eröffnung des Gotthard-Tunnels im Juni 2016 produzierte Bitforge für die SBB die VR-App «Gottardo 2016». Drei Szenarien sind darin möglich. In Diretissima überfliegt man das Gotthard-Massiv und erkennt den Verlauf des Tunnels in der Landschaft. Race vergleicht den alten mit dem neuen Tunnel. Galerie macht die virtuelle Begehung des Tunnels möglich.

MindMaze, ein EFPL-Startup in Lausanne, soll bereits heute einen Marktwert von einer Milliarde Dollar haben. Die Technologie beschleunigt die Rehabilitation nach einer Hirnverletzung oder einem Hirnschlag.

Im Rahmen der Schwerpunktthematik «Mobile Health, Wearables, Augmented Reality» von smama füllt VR ein wichtiges Kapitel. Das sind wenige Beispiele von vielen.

Google Cardboard, Einstiegsmodell aus Pappe

Google Cardboard, die Kartonschachtel, die den Blick in virtuelle Welten ermöglicht, kostet gerade mal 16 Franken und 90 Rappen. Ende Januar 2016 waren laut Google 5 Millionen Stück über die weite Welt verteilt. Von Samsung Gear, der VR-Brille, die in der Schweiz 99 Franken kostet, waren es auch schon 1 Million. High-End-Geräte, wie HTC Vive, Playstation VR oder Oculus von Facebook, versprechen ein noch intensiveres räumliches Erlebnis, werden aber mit rund 1’000 Franken veranschlagt. Die Prognosen bezüglich der Verbreitung von VR-Geräten sind ebenso vorsichtig wie unpräzise. Man spricht von 12 bis 15 Millionen weltweit ausgelieferten Geräten, 2020 könnten es 200 Millionen sein. Damit ist die Reichweite noch bescheiden, «aber die Kreativbranche entdeckt Virtual Reality», so das Fachblatt «Werben und Verkaufen».

Virtuelle Realität und Werbung

Das renommierte US-Wirtschaftsblatt Forbes titelte kürzlich «Virtual Reality Could Help Advertisers Become Relevant Again». Wenn dem so wäre, dann wüsste die Werbeindustrie, wo sie den Hebel für die Zukunft anzusetzen hätte. Vielleicht ist es aber sinnvoll, kurz zu beleuchten, welche Impulse von VR ausgehen können.

Fakt ist,

  • dass VR-Sichtgeräte sich ziemlich rasch und in grösseren Mengen verbreiten werden.
  • dass sich alle bedeutenden Smartphone-Hersteller intensiv mit dem Thema beschäftigen, was sie nicht tun würden, wenn keine Business Opportunity erkennbar wäre.
  • dass Sony und Microsoft, die beiden grossen Spielkonsolen-Hersteller, VR-Versionen vorbereiten.

und schliesslich,

  • dass Mark Zuckerberg, der nun wirklich für eine gehörige Portion Geschäftssinn berühmt ist, Virtual Reality als nächstes grosses Kommunikationsmedium bezeichnet (und für Facebook auch gleich Oculus, einen der wichtigsten Technologie-Treiber, erwarb).

Zusätzlich ein Fazit der Werbeindustrie auf der ad:tech in San Francisco: Werbevermarkter, Werbeagenturen und Verleger stellten fest: Virtual Reality und die ihr verwandte Augmented Reality, die Informationen und Bilder über die reale Welt legen, könnten rasch  zum nächsten bedeutenden Werbemedium werden. So meinte ein Exponent der Industrie (Marc Simons, Giant Spoon): «This is the reality. When these devices start reaching a massive audience, we need to start preparing for it».

Verleger nutzen Virtuelle Realität

Die grossen US-Networks, wie ABC, CBS, CNN, usw., integrieren VR-Elemente vor allem in ihre Serien. ABC hat für Quantico einen virtuellen Raum geschaffen, hier können die Zuschauer eine Rolle neben den Stars übernehmen. Dass sie sich dabei in einem Lexus-SUV fortbewegen und dieses Fahrzeug als leistungsfähig und luxuriös wahrnehmen, dürfte den Autohersteller Toyota etwas kosten. Die Werbebotschaft gestaltet sich dabei zu einem positiven, wertigen und lebendigen Erlebnis. Der Spieler wird weiter mit zusätzlichen Inhalten belohnt, wenn er die zeitlichen Vorgaben erfüllt und hier werden natürlich weitere Werbebotschaften platziert.

Auch News und Informationssendungen werden mit VR-Blöcken angereichert oder sogar in VR produziert. Die New York Times hat eine VR-App entwickelt, die den Zuschauer unmittelbar in aktuelle Themen versetzt. Man schreckte nicht davor zurück, diese nach den Attentaten unter die geschockten Menschen in den Strassen von Paris zu versetzen. Anlässlich der Lancierung ihrer App hat die New York Times mit Unterstützung von Google über 1.3 Million der Cardboard Headsets verteilt. Vor einem Monat schickten die New Yorker nochmals 300’000 Stück an ihre treuesten Online-Abonnenten und lieferten gleich die achte VR-Produktion über den Planeten Pluto mit. Die New York Times sieht das Ganze als Experiment. General Electric hat ein animiertes Video für die App bereitgestellt. Linda Boff, GE Global Chief Marketing Officer, glaubt, dass VR das Potenzial hat, Marketing zu revolutionieren: «Für die Marke und den Nutzer ist die Intimität von VR wirklich dramatisch. Es ist ein Mittel eine kraftvolle Story viel persönlicher und direkter zu erzählen, als das bisher möglich war.»

Merrell produzierte eine VR-Anzeige, in der die Zuschauer sich über eine wacklige Hängebrücke in den Bergen wagen mussten. Nike sorgte dafür, dass die Zuschauer virtuell in den Fussballschuhen von Neymar spielen durften. Toyota brachte VR in die TeamDrive365-Kampagene ein, die Teenager über die Gefahren durch Ablenkung am Steuer informiert.

Bei diesen noch experimentellen Ansätzen ist durchaus klar, worauf sie abzielen, Verlage und Networks wollen ein werbeattraktives Umfeld bereitstellen. Die Marken sehen ihre Werbechance vor allem in der Unterhaltung und der Information von potenziellen und bestehenden Kunden.

«Virtuelle Anzeigen sollen die Zuschauer nicht langweilen, sondern diesen die volle Kontrolle bezüglich Navigation und Interaktion bieten und damit einen Mehrwert und eine gute User Experience schaffen», so Retinad, Anbieter einer Analyse-Plattform für VR-Werbung. Dabei soll Werbung mit Virtual-Reality-Anzeigen der auch für die Online-Werbung längst geforderten Maxime folgen: Kreativität wirbt, Penetranz ärgert, Langeweile ist tödlich.

Ein Schlusswort zur zukünftigen Bedeutung von VR: Marcus Wohlsen von Wired: «Für uns wäre eine Welt ohne Farbfernseher oder PC eine Abstraktion, für Kinder wird dies in Zukunft eine ohne VR sein.»

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Links: Virtuelle Realität: Dreidimensionale Landschaften durchfliegen.
Rechts: Google Cardboard, Starter Set aus Pappe benötigt aber ein leistungsfähiges Smartphone

Autor: Fritz Reust, Journalist/smama