Reziprokes Marketing – ein verkaufspsychologisches Prinzip als Umsatz-Booster

95 Prozent unserer Gedanken und Emotionen finden unbewusst statt. Der Mythos vom rationalen Verbraucher ist eben nur ein Mythos, denn Kaufentscheidungen werden zuallererst von Gefühlen und Wahrnehmungen beeinflusst – und danach erst von rationalen Gedanken.

Mit dieser wissenschaftlich belegten Erkenntnis aus der (Wahrnehmungs-)Psychologie ergeben sich interessante Ansätze im E-Mail-/Online-Marketing für die Kundengewinnung und Kundenbindung. Neben bereits bewährten Kampagnen, die dem Reziprozitätsprinzip folgen, wie Rabattaktionen oder neuen Strategien wie Storytelling zur Schaffung von Kaufanreizen, rückt auch das Thema «Kundengeschenke» wieder stärker in den Fokus, um das Nutzerverhalten gezielt und positiv zu beeinflussen.

Wie du mir, so ich dir – das Reziprozitätsprinzip im Einsatz im Online-Marketing

Der Erfolg von Geschenkaktionen basiert auf einer einfachen, nachvollziehbaren Erkenntnis, die der amerikanische Soziologe und Buchautor* Howard Paul Becker (*1899; † 1960) treffend wie folgt formulierte: «Menschen, die etwas erhalten, sind motiviert dafür eine Gegenleistung zu erbringen.» Übertragen auf die Konsumgesellschaft, eröffnet dies interessante und gewinnbringende Möglichkeiten für den zunehmend wachsenden, wettbewerbsstarken Onlinehandel.

*Literaturhinweis: «Man becomes human in reciprocity»

Reziproke Geschenkaktionen sind eine Form der Kundenkommunikation, die auf einer Wechselwirkung basiert und dem Reziprozitätsprinzip, dem Prinzip der Gegenseitigkeit im sozialen Austausch, folgt. Oder einfacher gesagt: diese Strategie der Kunden-Geschenke ist an keine Bedingungen geknüpft. Anders als in Marketingaktionen, wie zum Beispiel «Kaufen Sie drei Teile und zahlen Sie nur für zwei», erhält der Verbraucher und potenzielle Neukunde ein Präsent, für das er keine Gegenleistung erbringen muss. Diese vordergründige Selbstlosigkeit des Schenkenden zahlt sich aus: Die Gefühle des Beschenkten (Überraschung, Freude, Neugier) und dessen Unterbewusstsein werden angesprochen, ein Anreiz geschaffen (das will ich haben) und Dankbarkeit entsteht. Konsequenz: aus all diesen Gefühlen heraus entwickelt der Verbraucher ein Bedürfnis/eine Verpflichtung, sich beim Schenkenden zu revanchieren. Wie? Indem er Kunde wird!

Dass dieses Prinzip funktioniert, beweisen viele Beispiele. Ob der kostenlose Grappa nach einem Essen beim Italiener, ein Testprodukt im Supermarkt – es entsteht eine Verpflichtung beim Konsumenten, sich erkenntlich zu zeigen. Nehmen wir das Beispiel einer kostenlosen Weinverkostung, zu der man Sie eingeladen hat. Gehen Sie nach Hause, ohne wenigsten eine Flasche gekauft zu haben?

Was in der realen Praxis gut funktioniert, kann auch für die virtuelle Welt erfolgreich adaptiert werden, um Kunden zu binden, Kundenbeziehungen zu festigen und Konversionsraten zu erhöhen.

Wie Unternehmen in Zeiten überfüllter Postfächer Aufmerksamkeit erzielen? Zum Beispiel durch Geschenke!

Kundengeschenke sind keine Neuheit am Werbemarkt. Was jedoch seit Jahrzenten hervorragend im Offline-Marketing funktioniert, zum Beispiel Geschmacksproben im Lebensmittelmarkt, Goodies auf Messen etc., wurde im Online-Marketing lange Zeit eher stiefmütterlich behandelt. Die neuen Herausforderungen an das E-Mail-Marketing fordern jedoch neue Lösungen, um die Aufmerksamkeit von werbemüden Online-Nutzern und Newsletter-Empfängern zu erregen, Öffnungsraten zu erhöhen und Umsätze zu generieren. Die Antwort: Online-Geschenke

Die Umsetzung des Reziprozitätsprinzips im E-Mail-Marketing

Zunächst einmal setzen erfolgreiche Reziprozitäts-Kampagnen ein Umdenken voraus. Das Unternehmen geht mit Geschenken in Vorleistung, ohne dass der Kunde zu einer (Kauf-) Aktion aufgefordert wird. Dadurch entsteht ein oft nicht unerheblicher finanzieller Aufwand. Rational gesehen ein Risiko, de facto aber macht sich eine reziproke Online-Marketingkampagne durch eine wachsende Zahl an Stammkunden und Neukunden bezahlt.

Unterschiede zwischen einer herkömmlichen Gutscheinkampagne und einer reziproken Gutscheinaktion:

Herkömmliche Kampagne Reziproke Kampagne
Verpflichtung Ja, zum Beispiel: Gutschein einlösbar ab einem Mindestbestellwert Nein, der Nutzer erhält das Geschenk ohne «Wenn und Aber»
Bedingungen Ja, zum Beispiel stark eingeschränkte Gültigkeit der Einlösbarkeit eines Gutscheins wie: lösen Sie den Gutschein innerhalb der nächsten 24 Std. ein! Nein, die Zustellung des Geschenks ist an keine oder wenige Bedingungen geknüpft
Kaufzwang Ja, der Gutschein ist zum Beispiel an einen Einkauf beim Anbieter gebunden Nein, es wird dem Kunden kein Kaufzwang auferlegt

Diese Unterschiede müssen in der Kommunikation klar ersichtlich werden, damit das Geschenk auch tatsächlich vom E-Mail-Empfänger/Newsletter-Abonnenten als solches wahrgenommen wird. Beispiele aus der Online-Marketing-Praxis zeigen, wie das Prinzip sowohl inhaltlich als auch erfolgreich in der Kundenansprache mit psychologischen Beeinflussungstechniken umgesetzt werden kann.

Zur Veranschaulichung zwei Best-Practice Beispiele von dem Online Schuhshop «I‘m walking» des Versandhändlers Baur Versand und Milupa Babynahrung:

iamwalking_Schober milupa_Schober


Das Reziprozitätsprinzip lässt sich im Online-Marketing vielseitig anwenden

Gutscheine sind nur eines von vielen Beispielen für E-Mail-Marketing-Kampagnen. Weitere Ideen für reziproke Kundenbindungsstrategien sind eBooks, die als kostenloser Download zur Verfügung gestellt werden oder auch Studien, die dem Empfänger kostenfrei online zur Verfügung gestellt werden.

Autor: Elmar Büttner, Schober Information Group (Schweiz) AG