Das Versprechen von Online Marketing – 1:1 Kommunikation zwischen Kunde und Marke, spezifisch auf jeden User zugeschnittene Botschaften, Verminderung oder Eliminierung von Streuverlusten, wird wohl an vielen Stellen eingelöst. Das volle Potenzial wird aber nach wie vor kaum ausgeschöpft. Zum einen befinden sich die hierzu benötigten Daten allzu oft in verschiedenen, nicht integrierten Daten-Silos, zum anderen fehlt oft die Übersicht über bestehende Daten und deren möglichen Verwendungszwecke. Im folgenden Artikel stellen wir anhand eines Szenarios dar, wie Daten, mit Hilfe von klaren Verwendungszwecken, zu besseren Entscheidungen im Marketing führen können.

Stellen Sie sich vor: Sie erhalten eine E-Mail von Ihrem Mobilfunkanbieter. Darin stellt der Anbieter sein neues Glasfaser-Netzwerk vor, welches Ihnen doppelt so schnelles Internet zu einem kompetitiven Preis verspricht. Da sie sich schon länger über langsame Verbindungen an ihrem PC nerven, klicken Sie das Angebot voller Vorfreude an, und beginnen den Bestellprozess. Bereits beim Überprüfen ob das Angebot denn auch an Ihrer Adresse verfügbar sein würde verfliegt ihre Freude jedoch: Leider nein, Ihre Heimadresse ist noch nicht abgedeckt. Sie haben nun also zwei Optionen: Sie behalten das bisherige Abo, sind nun aber noch unzufriedener als zuvor; oder – weil Sie schon mal dabei sind – beginnen Sie zu recherchieren, ob vielleicht ein anderer Anbieter ein Angebot hat, das Ihnen passt.

Dieses Szenario macht deutlich, dass Marketingmassnahmen kontraproduktiv wirken können, wenn Online-Marketing Aktivitäten ohne sinnvolle Segmentierung der Zielgruppen ausgeführt werden. Der oben beschriebene Kunde hätte wohl früher oder später mit einer Recherche zu schnellerem Internet begonnen. Möglicherweise wäre der Glasfaseranschluss zu diesem späteren Zeitpunkt tatsächlich schon verfügbar gewesen. Dann wäre er nicht nur seinem Mobilfunkanbieter treu geblieben, sondern hätte sich möglicherweise ein Gesamtpaket mit Glasfaseranschluss und weiteren Diensten geleistet. Nun aber besteht die Möglichkeit, dass er sich für ein Kombi-Angebot inklusive Mobilfunk eines Konkurrenten entscheiden wird. – Dieses Szenario ist insbesondere bedauerlich, weil der Mobilfunkanbieter die Rechnungsadresse seines Kunden gekannt hat, und hätte wissen müssen, ab wann das Kombiangebot für den Kunden verfügbar tatsächlich erhältlich gewesen wäre.

Die ironische Pointe: wird bei der Auswertung der Kampagne bloss auf die kanalspezifischen Metriken und Web-Analyse-Daten zurückgegriffen, muss man zwingenderweise zum Schluss kommen, dass diese Kampagne ein Erfolg war: die Open- und Klickraten der E-Mail-Kampagne waren überdurchschnittlich hoch und die Ziele für neue Abonnenten wurden übertroffen – die für das Medium relevanten Zahlen stimmen also und können gefeiert werden. Die negativen Folgen, die erst mittelfristig bemerkbar werden, könnten wohl ausgewiesen werden, sind jedoch über mehrere Tools verteilt (E-Mailing Tool, Web Analytics Tool, CRM/ERP). Es zeigt sich deutlich, welche Probleme entstehen können, wenn Zuständigkeit, Verantwortung und Bewusstsein für solche Abläufe in einem Unternehmen nicht gegeben sind.

Das oben beschriebene Szenario ist eines von vielen, in welchem relevante Informationen nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar waren, um eine sinnvolle Entscheidung zu treffen. Die Integration von Daten kann aber nicht nur zur besseren Segmentierung von Kunden genutzt werden, auch können Offline- oder Cross Channel Verkäufe genauer den diversen Marketingmassnahmen attribuiert werden und der Kunde kann über alle Kontaktpunkte jeweils mit den relevantesten Informationen versorgt werden.

Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, dass Datenintegration zur Zeit an mehreren Fronten stattfindet: zum einen integrierten Google, Adobe und Co. immer weitere Produkte und Datensignale in ihre Marketing Plattformen. Dies ermöglicht es Marketeers mit minimalem Aufwand die Datensammlung zu vereinheitlichen und den Kunden über mehrere Kanäle hinweg einheitlich anzusprechen. Auf der anderen Seite unternehmen auch viele Marketeers Schritte in Richtung Integration ihrer proprietären Daten in diverse Marketing- und Web-Plattformen. Was früher hauptsächlich bedeutete, dass personalisierte E-Mails basierend auf CRM Daten versendet werden konnten, hat sich heute dazu entwickelt dass auf praktisch jedem digitalen Kanal personalisierte Werbung basierend auf Offline-Nutzerdaten ausgespielt werden kann.

Anfangs Juli 2018 hat Google die Integration seiner Doubleclick- und Analytics Produkte unter dem Namen Google Marketing Plattform angekündigt. Die Integration unter einer einheitlichen Marke sollte nicht nur als Brandingmassnahme zu verstehen sein, sondern für Werbetreibende und Agenturen Vorteile in der Nutzerfreundlichkeit und Integrationstiefe der diversen Tools bringen.

In dieselbe Richtung geht Google auch mit der Salesforce Integration für Google Analytics 360: Offline Conversion Daten sollten zum einen in Google Analytics für Reportings und Attribution genutzt werden, zum anderen durch den Werbetreibenden zur Bildung von Audiences oder Personalisierung im Google Universum genutzt werden können. Mit Google Signals können in Google Analytics mittlerweile auch Cross-Device Conversions reported werden – alles per Knopfdruck aktivierbar.

Google ist aber keineswegs Trendsetter in diesem Bereich. Adobe verfolgt diese Strategie seit Jahren erfolgreich: zuletzt wurde im Juni 2018 der Kauf von Magento Commerce angekündigt, um eine Lücke im Bereich E-Commerce zu schliessen. Weitere Anbieter wie SAP, Oracle oder IBM bieten ebenfalls ihre eigenen Marketing Hubs an. Der Vorteil dieser Hubs liegt auf der Hand: durch hohe Integrationstiefe können Nutzerdaten einfach und ohne markante Änderung am technischen Setup zwischen verschiedenen Tools geteilt und so nutzbar gemacht werden – oftmals ist bereits ein Klick genug um diese Integrationen zu aktivieren.

Auf den ersten Blick ergibt es Sinn, möglichst eine gesamte Suite von Marketing Produkten bei demselben Anbieter zu beziehen. Es gilt jedoch folgende Abwägungen zu machen: entsprechen die einzelnen Softwarelösungen den spezifischen Anforderungen? Wie sehr wird die Benutzerfreundlichkeit der Anwendungen durch Reduktion der Komplexität und Konfigurierbarkeit erreicht? Können die geplanten Anwendungen überhaupt umgesetzt werden?

Die detaillierte Beschreibung und Abstrahierung von Use Cases, welche, wie in der Einführung beschrieben, die gesamte Systemlandschaft abdecken, ist denn auch eine fundamentale Voraussetzung bei der Auswahl der jeweiligen Marketingsoftware. Durch die Use Cases lassen sich spezifische Prozesse und Grundlagen definieren, welche in einem nächsten Schritt in technische Anforderungen an die Software übersetzt werden können. Welche Daten müssen zu welchem Zeitpunkt in welcher Software verfügbar sein? Allfällige Annahmen lassen sich dadurch bereits vor dem Kauf verifizieren und führen nicht nur zu einem besseren Kaufentscheid, sondern auch zu einer schnelleren Implementation und somit zu einem früheren Nutzen der Software. Dank den definierten Use Cases kann man auch legale Risiken im Datenschutz besser abschätzen und sicherstellen, dass die jeweiligen individuellen Anforderungen an den Datenschutz abgedeckt sind.

Um User und Kunden mit möglichst relevanten Botschaften zu erreichen, sollten die folgenden Prinzipien befolgt werden:

  • Technologie folgt Verwendungszweck: Software sollte basierend auf den effektiv geplanten Anwendungsanforderungen gekauft und implementiert werden. Der Fokus der Kaufentscheidung sollte somit weg von versprochenen Features, hin zu deren Anwendung im Verbund mit der restlichen Softwarelandschaft.
  • Verwendungszweck folgt der Strategie: Anwendungsanforderungen (Use Cases) sollten wiederum auf entsprechenden Anforderungen welche die Marketing- und Data-Strategien stellen aufbauen.
  • Silos müssen überwunden werden: angereicherte Datensätze, welche auf mehreren Datenquellen basieren ermöglichen tiefere und akkuratere Analysen, welche über das Marketing-Team hinaus akzeptiert werden. Diese können aber nur durch die intensive Zusammenarbeit innerhalb der gesamten Organisation erreicht werden. Dabei müssen der Kunde uns seine Bedürfnisse stets im Zentrum der Überlegungen stehen.
  • Mehr Daten sind nicht besser – relevantere Daten aber schon: Mehr Interaktionen zu messen oder mehrere Datensätze zu integrieren alleine generiert keinen Wert. Daten müssen vor allem eines sein: relevant, verfügbar und verständlich für die zu treffende Entscheidung.

Autor:
Fabio Casutt, Senior Consultant Digital Analytics,
Webrepublic (IAB-Mitglied)

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